«Food Waste»: Gemeinsam gegen Verschwendung!
Während Grossverteiler bis zum Ladenschluss mit prall gefüllten Regalen aufwarten, achten gewerbliche Bäcker darauf, dass sie am Ende des Tages nur wenig wegwerfen müssen.
Dies wird von Kunden häufig nicht verstanden. Doch kaum ein Konsument schaut hinter die Kulissen der Supermärkte und Tankstellenshops. Dort nämlich landen grosse Mengen Brot und andere Lebensmittel in Abfallcontainern. Dieser sogenannte «Food Waste» ist ein heiss diskutiertes Thema. Auch am Forum 2015 des Schweizer Bäckerei- und Konditorei-Personal-Verbands sbkpv. Im bis auf den letzten Platz besetzten Auditorium der Pistor in Rothenburg folgten Bäcker, Konditoren, Confiseure und Köche den Ausführungen von Heinz Nussbaumer, Roni Merz, Liene Millere und Sandro Furnari. Mit erschreckenden Fakten führte Heinz Nussbaumer, Leiter Strategie und Unternehmensentwicklung bei Pistor und Vizepräsident von United Against Waste, ins Thema ein. «Ein Drittel aller Lebensmittel landet im Müll. Jedes vierte Brot wird nicht verkauft. Und eine Studie zeigt, dass bis zu 16 Prozent des Umsatzes als Abfall entsorgt werden», sagte Heinz Nussbaumer. Liene Millere von Beck Glatz Confiseur in Bern hatte in ihrer Projektarbeit herausgefunden, dass 33 Prozent des Food Waste durch nicht verkaufte Artikel entstehen. Ihre Studie mit der Lebensmittelabfallerhebung entlang der Wertschöpfungskette in 16 Bäckereien ist bei David Affentranger, Geschäftsführer des sbkpv, erhältlich.
Vorbeugen ist sinnvoller und weitaus günstiger als verschwenden
Grundlagen, um Food Waste zu verhindern, bieten gemäss Heinz Nussbaumer die Daten der Kassen. «Diese sollten unbedingt als Führungsinstrument genutzt und das Sortiment dementsprechend optimiert werden.» Genau das hat der Churer Bäckerei-Unternehmer Roni Merz erfolgreich eingeführt. Im Hauptgeschäft und in den Filialen sind alle Kassen mit dem Wetterbericht verknüpft. «Das hilft den Filialleitern beim Berechnen der Bestellung für den nächsten Tag.» Die Bäckerei Merz ist im Premium-Segment unterwegs und setzt auf lokale Rohstoffe, Handarbeit und Innovationsgeist. «Nach der Analyse der Verkaufsstatistik wussten wir, dass alle C-Produkte aus dem Sortiment gestrichen werden können. Damit reduzierten wir unsere Überproduktion auf fünf Prozent», sagte Roni Merz. Heinz Nussbaumer bestätigte diesen Gedanken und riet den Teilnehmern des Forums zu mehr «Mut zur Lücke». «Wir Bäcker müssen unser Handwerk inszenieren, die Backstuben öffnen und den Kunden zeigen, woraus wir unser Brot backen», sagte er. Denn gemäss einer weiteren Studie würden 60 Prozent der Konsumenten klare Informationen über die Haltbarkeit und Lagerung von Brot und Backwaren begrüssen. Mit dem Problem Food Waste konfrontiert, wollen 61 Prozent der Kunden darauf achten, zukünftig weniger Lebensmittel wegzuwerfen. Gar 80 Prozent könnten gut damit leben, wenn die Auswahl abends kleiner wäre als gewohnt. Zu diesem Thema postete Roni Merz einen Text auf Facebook, den zahlreiche Merz-Follower kommentierten. Trotz präziser Planung bleibt immer etwas übrig. Abnehmer für nicht verkaufte Produkte ist Sandro Furnari mit seinem Konzept Äss-Bar – frisch von gestern. Jeden Morgen sammeln seine Mitarbeiter Übriggebliebenes vom Vortag und verkaufen Sandwiches, Nussgipfel, Pâtisserie und Brote zum halben Preis in seinen mittlerweile vier Verkaufsläden. Fast täglich erhält er Anfragen von Bäckern, die ihre «Reste» lieber verschenken als vernichten. Sandro Furnaris Geschäft mit Gebäck von gestern floriert – obwohl die Kundschaft gewerblicher Bäckereien jeden Tag nur frische Ware will.
Text: Gabriel Tinguely